Horst Helmut Streckenbach wurde am 5. August 1925 in Weißwasser (Oberschlesien) geboren. Er besuchte die Volksschule in Häslicht, dem heutigen Kostrza in Polen. Dort hatte er bei einem Ausflug an die Neiße Binnenschiffer getroffen, die tätowiert waren und beschloss Tätowierer zu werden. Bereits in der Schulzeit begann er Mitschüler von Hand (Pikern) mit kleinen Motiven zu versehen. Nach dem Abschluss der Schule absolvierte er von 1940 bis 1943 eine Lehre zum Autoschlosser.
Ab 1943 war Streckenbach Soldat in der Wehrmacht und wurde zuletzt in Italien eingesetzt. Durch eine Granatenexplosion weitestgehend erblindet, geriet er in Frankreich in alliierte Gefangenschaft und wurde aufgrund seiner Verwundung in die USA transportiert. Dort durchlief er verschiedene Gefangenenlager. Zuletzt war er in einem Lager bei San Francisco untergebracht. Dort erhielt er 1946 eine Hornhauttransplantation und somit das Augenlicht zurück. In dieser Zeit bekam er von den amerikanischen Bewachern den Spitznamen Samy und lernte am Lagerzaun den damals siebzehnjährigen Lyle Tuttle kennen. Sie stellten fest, dass sie mit dem tätowieren gemeinsame Interessen hatten und es entwickelte sich eine Freundschaft, die bis zum Ableben Samy´s im Jahr 2001 halten sollte. Um 1950 reiste Samy in die USA um über Lyle Tuttle seine erste Tätowiermaschine (vermutlich von Bert Grimm) zu erwerben. Von dieser Reise stammen vermutlich auch einige Tattoo-Flashs, die sich aus Bögen ausgeschnitten und eingeklebt in Samys erstem Vorlagenalbum befinden. Ein Nachdruck dieses Albums ist bereits geplant. Die Tattoodesigns werden durch Fotos und Skizzen aus den frühen Jahren Streckenbachs ergänzt.
Im Oktober 1964 verzog er nach Frankfurt am Main in die Kurt-Schumacher-Straße 2 und eröffnete am 15. Oktober 1964, zusammen mit Ella Streckenbach, das Studio für modernen Haut- und Körperschmuck, das er bis zum Zwangsverkauf aufgrund von Steuerschulden in Höhe von 300.000,– DM aufgeben musste. Das Finanzamt Frankfurt hatte ihm zunächst den Künstlerstatus zuerkannt und Samy setzte über viele Jahre den ermäßigten Steuersatz an. Im Zuge einer Betriebsprüfung wurde dieser Status nicht anerkannt und auch die Folgeinstanzen entschieden gegen ihn. Samy verlor seine gesamten Ersparnisse, seine Altersversorgung und sein Studio. Dieser Verlust und der Tod von Ella im Jahr 1983 warfen ihn völlig aus der Bahn.
Eine beginnende Demenzerkrankung und sein gesundheitlicher Gesamtzustand hatten erheblichen Einfluss auf die Qualität seiner Tätowier-Arbeiten, die er gelegentlich noch ausführte. Als man ihn dann noch von den Frankfurter Conventions ausschloss, war seine Verbitterung komplett. Zumal er es war, der im Oktober 1980 zusammen mit Terry Wrigley die erste Tattoo-Convention in Frankfurt organisierte.
Streckenbach kann als DIE Schlüsselfigur der neuzeitlichen Tätowierer- und Piercing-Szene Deutschlands bezeichnet werden. Seine Motive haben eine völlig neue Handschrift, im Gegensatz zur bis dahin verbreiteten Old-School-Tätowierung. Er verwendete seit den späten 1940er Jahren aufwendige florale Motive und weiche Ornamentik; viele dieser Motive sind erst heute nach beinahe siebzig Jahren im Allgemeingebrauch.
Er fertigte seit den frühen 1960er Jahren seine Maschinen selbst und betrieb ab 1973 einen eigenen Supply; den ersten in Deutschland überhaupt.
Samy Streckenbach war ein wahrer Pionier der Tattoo und Piercing-Szene; man kann ihn geradezu als Avantgardisten bezeichnen. Leider blieb sein Gesamtwerk bis heute weitestgehend unbeachtet.
Ein Forschungsprojekt des Instituts für deutsche Tattoo-Geschichte e.V. (IDTG) wertet seit Okt 20148 den Streckenbachnachlass aus. Manfred Kohrs, der 1997 das Institut begründete, hat Dr. Ole Wittmann in den Vorstand berufen und mit der Forschungsleitung betraut. Ziel ist es, alle erhaltenen Objekte wissenschaftlich aufzuarbeiten und in Publikationen und anderen Medien, sowie Ausstellungen für eine breite Öffentlichkeit leicht zugänglich zu machen. Abschließend bitten wir um Unterstützung des Projektes.
Aufruf des IDTG:
Sie haben ein Streckenbach-Objekt (Flash, Zeichnung, Schablone, Fotografie, Brief, Visitenkarte o. ä.) in Ihrer Sammlung oder ein Tattoo von Samy Streckenbach? Oder Sie kennen jemanden, der eines hat?
Haben Sie Bekanntschaft mit Samy gemacht oder Hinweise zu Bekannten oder Verwandten?
Wenn Sie weiterhelfen können bitten wir Sie, uns zu kontaktieren:
INSTITUT FÃœR DEUTSCHE TATTOO-GESCHICHTE e.V. (IDTG)
Schubertstr. 14a | 30900 Wedemark
T. +49 (0)5131 451 98 68
E. info@idtg-ev.de
(Bild: C 1979 Manfred Kohrs)
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Danke für den informativen Text. Ich muss gestehen, auch noch nicht von Samy gehört gehabt zu haben.