Wen's interessiert...
Neulich wurde hier mal wieder über die Möglichkeit diskutiert, die Veränderungen eines Tattoos im Laufe der Jahre vorherzusagen.
Entsprechende Prognosen sich durchaus schwierig, weil sie von einer Vielzahl beeinflussender Faktoren abhängen.
Neben den biochemischen Vorgängen in den Zellen unserer Haut, der Zellerneuerung (die für Umlagerungen in der Haut sorgt) und mechanischen Beanspruchungen der Haut, spielt insbesondere der Einfluss des Lichtes eine entscheidende Rolle bei der 'Alterung' von Tattoos.
Gerade die Lichtechtheit von Farben sorgt da immer wieder für hitzige Auseinandersetzungen.
Da fallen dann Äußerungen wie "Die Farben sind heutzutage wesentlich lichtbeständiger als früher" oder "billige Farben aus China halten natürlich nicht so lange, wie gütekontrollierte Farben aus Europa".
So einfach ist die Sache aber nicht. Bestimmte Mechanismen lassen sich auch durch die Weiterentwicklung von Farben nicht umgehen.
Der folgende link erklärt recht anschaulich, warum unterschiedliche Farben sehr verschiedene Lichtechtheiten haben.
http://www.cwaller.de/deutsch.htm?lichtschaeden.htm~inform...
Dabei gilt für Tattoo-Farben prinzipiell dasselbe wie für Künstler- oder Druckfarben... zumal die Anzahl auf dem Markt erhältlicher Pigmente und Farbstoffe durchaus überschaubar ist.
Wichtig zu wissen:
Bei der Mischung spielt die Lichtechtheit jeder einzelnen Farbe ihre eigene Rolle. Wird z.B. Violett aus dem schwach lichtechten traditionellen Krapplack und dem ausgezeichnet lichtechten Ultramarin gemischt, wird der rote Farbton des Krapplacks innerhalb der angegebenen Lichtechtheitszeitspanne ausbleichen.
Das sehr lichtechte Ultramarin dagegen wird sich nicht verändern. Das Rot verschwindet also langsam aus dem Violett, was bedeutet, dass der violette Farbton sich in dem Maße verändert, wie der rote Farbton verblasst.
Noch stärker ist der Effekt beim Zumischen von Weiß.
http://druckfarbendoc.de/go/doc/artikel/lichtechtheit/
Alle Farben mit einer hohen Zumischung von Weiß, haben also wenig Chancen gegenüber den Einflüssen der Sonne. Es sei denn... man lässt sein Tattoo niemals das Licht der Sonne erblicken.
Kurz noch etwas zur angeblich geringen Lichtbeständigkeit billiger Farben.
Leider... dürfte sogar das Gegenteil der Fall sein.
In der Vergangenheit haben immer wieder Meldungen Aufsehen erregt, bei denen ein teils hoher Schwermetallgehalt in Farben bemängelt wurde.
Der Hintergrund leuchtet jedoch ein.
Anorganische Pigmente haben in der Regel eine höhere Lichtechtheit als organische Pigmente.
http://de.wikipedia.org/wiki/Pigment
Entsprechend lässt sich durch Schwermetallbemischungen die Farbstabilität erhöhen. Is dooferweise gesundheitsschädlich...
Auch ganz spannend im Hinblick auf die hier häufig empfohlene laservorbehandlung von Tattoos:
"Toxikologisch bedenklich können Abbauprodukte von Pigmenten sein, diese treten beim Bestrahlen mit laserlicht auf, wie um Pigmente aus Tätowierungen zu entfernen. Bei der Spaltung des Tätowierungspigments C.I. Pigment Red 22 durch laserlicht entsteht das giftige und krebseregende 2-Methyl-5-nitroanilin."
danke für die infos. sehr interessant, obwohl ich mich frage, was ich als kunde oder kundin machen kann, wenn der tätowierer zB häufig gemischte farben benutzt...
tatsächlich ist es aber wirklich schade, dass man bei den meisten tätowierern keine genaue aufklärung über diese dinge erhält.
Als Kundin weisst Du womöglich nicht, was in den Farben drin ist... wobei für die meisten Tattoo-Farben Sicherheitsdatenblätter im Internet einsehbar sind... aber Du kannst in jedem Fall bei der Farbwahl Deines Tattoo-Motives mitreden.
Um die Sache vielleicht ein wenig fassbarer im Hinblick auf Tattoos zu machen, mal ein Beispiel aus dieser Community.
Zunächst das frisch gestochene Tattoo.
Die Aufmerksamkeit gebührt in diesem Falle nicht der Gesamtkomposition oder den Kontrasten des Tattoos, sondern alleine der Verwendung von Gelbtönen.
Hier also an Schulter, Arm, Brüsten, Bein und insbesondere Fruchtblase.
http://www.tattoo-bewertung.de/tattoo/biopreg
Nachfolgend nun das drei Jahre alte Tattoo.
http://www.tattoo-bewertung.de/tattoo/healed
Kann man natürlich alles nachstechen.
Aber der/die Einzelne kann sich ja mal fragen, was mit Tattoos geschieht, die fast nur aus Gelbtönen oder Farben mit einem hohen Beimischungsgrad von aufhellendem Weiß bestehen.
ja, das ist ein schönes beispiel.
ich bin grundsätzlich auch der meinung, dass aufklärung der kundInnengruppe wichtig ist. wenn wir uns über die risiken bestimmter umsetzungsmöglichkeiten bez. der farbwahl und haltbarkeit bewusster sind, fällt es sicher auch einigen tätowierern schwerer die ganze sache so unbedarft anzugehen (wie in den zitat "heute sind die technik und die farben viel besser" etc. gezeigt wird).
trotzdem bin ich mir immer noch nicht sicher, ob ich persönlich alle risikomomente einer Vorlage eines tätowierers erkennen würde. das ist schon eine ziemliche kompetenz, die sicherlich nicht von jedem/jeder erwartet werden kann.
und mir stellt sich immer noch die frage, wie man als kunde den tätowierer darauf ansprechen kann, dass man eine Vorlage nicht für haltbar hält (in der farbkombination). ich glaube nicht, dass viele tät. da mit sich reden lassen, oder?
schön wäre natürlich, wenn die expertInnen, also die tätowierer selbst, dieses wissen umsetzen würden...
lange rede und kein sinn... sorry für meinen gedanken-vomit... : )
Die (naturwissenschaftlichen) Hintergründe hab ich ja vor allem deshalb hier eingestellt, um deutlich zu machen, dass die entsprechenden Effekte nicht vom Können der Tätowierer beeinflussbar sind.
Es macht keinen Unterschied, ob helle Farben von einem Topstar der Szene verwendet werden oder von einem Hinterhof-Scratcher. Der Einfluss der Sonne bleibt gleich.
Als Tätowierwillige/r sollte man sich eben bewusst sein, dass helle Farben in einem Tattoo nicht besonders lange halten, wenn... und jetzt kommt der entscheidende Zusatz... das Tattoo regelmäßig der Sonne ausgesetzt ist.
Und um das auch nochmal klar zu sagen: Sonnencreme hilft da nicht dauerhaft.
Wer sich also ein Realistic-Tattoo mit vielen hellen Hauttönen, hohem Weißanteil und extremen Details auf die Arschbacke tätowieren lässt, der wird daran trotzdem jahrelang seine Freude haben. Eben weil da sprichwörtlich keine Sonne hinscheint.
http://www.tattoo-bewertung.de/tattoo/steampunk-zombie
Auf dem Unterarm würde sich ein entsprechendes Tattoo hingegen binnen kürzester Zeit in seine Bestandteile auflösen.
Beispiel zur Verwendung von ROSA:
frisch:
http://www.tattoo-bewertung.de/tattoo/geisha-sayuri
1 (!) Jahr später:
http://www.tattoo-bewertung.de/tattoo/geisha-mit-lilienbl%...
Also Horizon, hier muss ich dir absolut recht geben. Habe da praktische Erfahrungen. Gelb und Rosa im Bein verarbeitet. Am Oberschenkel, wo auch am Strand die Badeshorts das Tattoo verdecken, sind die Farben noch wie neu. Am Unterschenkel ist trotz Sonnencrem das Gelb schon fast verschwunden.
man muss aber auch darauf achten, dass das "vorher"-bild unter- und das "danach"-bild überbelichtet ist...
Aus aktuellem Anlass mal wieder ein Beispiel für die Verwendung von 'Weiß'.
Das Augenmerk bei diesem ansonsten recht schönen Tattoo gilt in diesem Fall den Zähnen.
Das frische Tattoo:
http://www.tattoo-bewertung.de/tattoo/portrait-hund-rottwe...
Und so sieht die Sache ganze 3 Wochen später aus:
http://www.tattoo-bewertung.de/tattoo/tattoo-rottweiler
Da sind nur noch Reste vom Weiß übrig geblieben.
Danke Horizon!
Interessant eben auch, wie die Meinungen zum o.g. Tattoo von Horizon dann schon driften können!
Stimmt, habe gerade gemerkt, dass ich dem frisch gestochenen Tattoo 2 Punkte mehr als dem Abgeheilten gegeben hatte.
Das mit dem Weiß darf man nicht verallgemeinern nach dem Thema "nach drei Wochen ist es raus".
Wenns richtig eingearbeitet ist (was wohl das Problem bei den Zähnen war) und konsequent geschützt wird, hält es auch.
ich muss sagen, dass ich nach meinem körperseiten-b/g auch sehr skeptisch war, was das weiß angeht. es war quasi schon nach der abheilung bräunlich und so ist es bis jetzt (1,5 jahre später).
bei meinem oberschenkel hat sich das weiß bis jetzt (6 monate) gar nicht verändert.
Den Thread gerade erst gefunden.
Danke Horizon! Sehr informativ.
Für die Allgemeinheit wird das nie ein Thema sein,was die Runde macht.
Gefühlt haben doch 80% aller Kunden überhaupt keine Ahnung von der Materie.
Der überwiegende Teil der Tätowierer arbeitet so,dass wohl keiner von "uns" in deren Studios landen würde.
Und auch Weltklasseleute stechen reihenweise sagenhafte Motive mit erschreckender Halbwertzeit.
Wo soll man da anfangen?
Ein Tätowierer der auf ALLES achtet und auf ALLES hinweist,wird wohl den Hungertod sterben,weil ihm die Kunden aus dem Laden rennen.
Schwierig.