„Guten Tag Rufus ist mein Name – wie heißt du?“ Leere Augen duseln in der Bahn auf den Feierabend zu. Keine Antwort erreicht mein Ohr, allein unter Vielen, so komm ich mir vor. Nächster Abend, gleiche Bahn, wieder kräht kein Hahn nach meinen Avancen ein Gespräch zu beginnen, dröge Minuten, die leer zerrinnen. Nach Außen - da sieht keiner was, denn ich bin stark, smart und cool, schauspieler‘ Gleichmütigkeit ohne Last. So geht es weiter Tag für Tag – sagt mir denn keiner seinen Namen, obwohl ich meinen sag‘? Wieder keine Antwort, leere Augen, obwohl ich freundlich frag…
Doch heute, ja heute könnt' es anders sein, denn heut sitz' ich dir gegenüber, Auge in Auge, Bein an Bein – Wirst du menschlich, wirst du offen sein? Offen zumindest für ein nettes Wort ohne Belang über das Wetter, die Bahn, den nächsten Urnengang?
Oder bist du wie alle, schlägst den nächsten Nagel in meinen Sarg? Die Augen leer, das Mienenspiel karg? Moment - in meinen Sarg? Warum eigentlich in meinen? Vielleicht nehmen wir dann doch lieber deinen? So wie ich hier einsam sitz' zwischen dir und den andern Schafen? Verrotte wie feuchtes Laub zwischen vermoosten Bäumen? So wie euer dunkles Blut aus euch spritzt und stinkt in meinen Träumen? Wir ihr heult und kreischt wenn ich euch beisse, wenn ich euch schlage, bis eure Köpfe nur noch aus Brei bestehen? Wenn am Ende dann nur noch ich und mein Ständer stehen? Dann, wenn ihr alle gefallen seid, ihr Schafe im Viehtransport der Bahn auf Gleis Drei? Schales Gewimmer, nasse Flecken und Fleischteile künden von süßem Wahn und Raserei…
Verschwommenes Gerede, ein Lautsprecher quäkt: „Nächster Ausstieg rechts.“ Hinter mir Teeniegetuschel beiderlei Geschlechts – ich öffne die Augen und lächel' an dir vorbei, so wie jeder andere an jedem Tag in der Bahn auf Gleis Drei.
Setze die grobe Schraffur deiner Seele gegen die Gleichheit der Einsen und Nullen dieser Welt.
Hinterlasse Krümel, Fingerabdrücke, Gerüche, Säfte, so wie es dir passt.
Spüre dich und lass dich spüren, sei laut, anders, die reudige Töle, die beißt und bellt.
Rüttel und schüttel dich und deinen bunten Körper, falle dem digitalen Einheitsgrau zur Last.
Sieh, mein Herz – ich habe es wie ein Grab zurecht gemacht.
In einer Welt ohne Sinn für Schönes und Design habe ich mir etwas Liebevolles ausgedacht für mein blutiges, rohes Stück Herz. Es lässt sich nicht vergiften von der Welt da draußen und ihrem Schmerz-ich halte es fest eingeschlossen bunt dekoriert in meiner Brust.
Sieh, mein Herz-ich habe es zurecht gemacht wie ein Grab.
Der Welt da draußen bedeutet es nichts, genauso wie es mir nichts bedeutet, wenn sie zu mir spricht. Das, was zählt, vollzieht sich in mir drin, ich, meine Gedanken, mein buntes Herz geben meinem Leben einen Sinn. Manchmal fühlt es sich an wie schon tausend mal gelebt, mein ausgelutschtes Leben, mehr ein Streben, ein dauerndes Vergeben, der Schwächen anderer ziellos Wandernder, die nicht achten wollen, nicht sehen können, was zählt, die ein nie gesehener Fixpunkt weit in der Ferne quält.
Sieh, mein Herz, ich habe es wie ein Grab zurecht gemacht.
Bunt und schön, prächtig und duftend, das rohe Stück Herz, Rosen und Schleierkraut überdecken leicht den pochenden Schmerz. So wandere ich weiter, weil ich etwas habe, was mich hält (mein buntes Herz) oder weil ich glaube etwas zu finden auf dieser Welt (ein andres Herz) oder weil ich einfach nicht weiß, wie man verschwindet, wie ein Wurm, der sich unter deiner Schaufel windet.
Sieh, mein Herz, zurecht gemacht wie ein Grab, es soll erst verwelken an meinem letzten Tag.
„Es ist, wie es ist, kannst du froh sein, dass nichts Schlimmeres ist und das du bist wie du bist.“ Denkst du so, während du nass und nackt bist: „Nun, wo wir da angekommen sind, verbrennt die Wahrheit unsere Augen, die nicht zum Sehen, nur zum Verzerren taugen. Der Welt um uns herum, die verätzt, wie von Säuren oder Laugen tiefe, brandige Löcher aufweist.“ Singt dein Hirn und dieser Dreck beweist, dass zu viel Zeit dich um das Eigentliche im Leben bescheißt.
Doch dein Hirnchen hört nicht auf: „Hauptsache ist, dass du weißt, dass du es bist, der da ist. Der wie in einer Duschzelle aus Glas dabei zusieht, wie die Welt wie klebriger Schleim Außen herab fließt.“ Dein Birnchen geht gleich drauf, drum schmier deine eigene Note von Innen an die Scheibe, in den Dampf, der sich nur zum Übergang dran geworfen hat, weil das Wasser so heiß war. Damit du, wenn es abkühlt nicht mehr siehst, was das für ein Scheiß war, der dir da durch dein Köpfchen striff, wie zerdrückter Stadionrasen nach dem Abpfiff, der das Spiel nur dem erzählt, der es lesen kann. „Mann! Wer war wo und wie, warum und wann? Und dann?“
Ja, dann fing es an, dich an der Wand der Zelle zu zerdrücken, keine Freunde mehr, nur heiße, nasse Kacheln in deinem Rücken. wie tief kann man blicken, wenn man die Duschwanne wegzieht? Bis auf den Boden der Wahrheit, ihrem Bodensatz aus ätzender Klarheit? Sehen, wie die letzte Schabe noch aus dem Licht flieht? Klammer dich bloß am Duschkopf fest, damit du nicht fällst, wie das Wasser, die Scheiße, der ganze Rest. Lass dich nicht ficken, vom Universum, der Welt, der paranoiden Pest. Dusch einfach nicht zu lange, leg dich ne Runde knacken und kümmer dich später um die Spacken.
Mittagspause, ja Pause – die muss sein. Nicht der Hunger, die Hektik treibt es rein, essen, trinken, verschlucken, leise furzen, grinsen – Mann, bin ich ein Schwein. Wieder zurück ins Büro, Papiere, Zinsen, Mails, schiebe ich von links nach rechts, krieche in den attraktivsten Anus rein. Arbeit ja, jeder ist hier gleich, gleich farblos, gleich welchen Geschlechts. Formvollendet einig sein.
So lungern wir, starren leeren Blickes mitten rein, irgendwo ins Nirgendwo, ob mittags im Café oder abends an der Bar, das Leben ist so wunderbar – Arbeit, schaffen, sinnentleert darauf einen, zwei, zehn Cocktails, schwitzige Finger fahren durchs Haar: „Seh ich gut aus, werde ich geliebt oder eher nicht?“ Mein Blick, schweift von Links nach Rechts, sucht nen Haftpunkt, am Besten des anderen Geschlechts, Mund grinst, Augen wischen immer schneller, „Selbstwert, wo bist du? Ey, hier unten im Keller!“ Der gute Roboter von heute kokettiert verzweifelt, bis er sich am Heimweg laut erbricht.
Dann lieg ich daheim, trockene Kotze spannt im Gesicht - Wollte doch kennen lernen, Vögeln, mein Leben sinnvoll machen mit jemand, der das kann? Es hat wieder nicht geklappt – schade… Wann, wie, wo, wer kann mir helfen mein Leben mit Leben zu füllen, wie Tim an der Bar mein leeres Glas? Warum machte mir der ganze Spaß heut keinen Spaß? Jetzt Schlaf, dann den Sonntag still vom Bett aufs Sofa, und wieder retour, der Kopf der schwirrt angenehm voll Brei, noch ein, zwei Gläschen Wein – oh schade, Wochenende ist schon wieder vorbei, wie schaffe ich die ganze Arbeit nur?
Was im Lauf des Tages scheint so klar umrissen definiert/ Wird nachts im Dunkelgrau zur nagend‘ Angst verschmiert/ Voller Hoffnung eingetaucht in die Weite hinter seinen Lidern/ Erwacht der Egonaut in kaltem Schweiß, pochend, fiebernd
Seine Augen suchen hektisch den Anker
im nächtlichen Flimmern/ Er spürt, er ist nicht allein, bleckend‘ Zähn‘ in all‘ seinen Zimmern/ Er wälzt und rauft sich und sein Laken/ Doch die Speere des Alps, sie haben Widerhaken
Die Zeiger der Uhr kriechen schleifend zum Morgen/ Eine Daune fällt ewig durchs Schwarz seiner Sorgen/ Wie weit ist der Weg bis zum Tag oder zum Tod?/ Wer steht vorm Bett mit Augen
wie Schlitzen, wartend, tiefrot?
Am Ende steht dann doch der Tag, hell, luftig und klar/ Der Erwachte lächelt, hat wieder fast vergessen, was war/ Nur seine Lider, leicht tränend, so dunkel und schwer/ Sie erinnern ihn daran – die stillen Ecken seines Zimmers, sie sind nachts nicht leer
Wer mir dazu n Flash zeichnet, macht meinen Rücken :) VG Daniel